Twitch – Was steckt in der Live-Streaming-Plattform?
Wer an soziale Netzwerke denkt, hat Facebook, Instagram, Snapchat und Co. vor Augen. An live übertragene Videospiele, bei denen sich Gamer gegenseitig beim Zocken zusehen, denkt man eher nicht. Doch das ist die Idee der Streaming-Video-Plattform Twitch. Warum das Portal darüber hinaus auch für Eure Social Media Kampagnen interessant sein kann, zeigen wir Euch in diesem Beitrag.
Was ist Twitch?
Als der US-amerikanische Moderator und Comedian Jimmy Kimmel in seiner Show erklärte, Twitch als Live-Streaming-Plattform für Video-Spiele sei „Zeitverschwendung“ und fördere Einsamkeit, erntete er einen Shitstorm. Denn Twitch hat eine große Anhängerschaft und liefert Einschaltquoten, von denen kleine TV-Sender nur träumen können. Das englische Wort „twitch“ steht für „zucken“ und spielt dabei auf die Schnelligkeit des Streaming-Video-Portals und die Reflexe der Gamer an, die die Hauptzielgruppe der Plattform sind. Die Gamer streamen bei Twitch ihre Online-Spiele live und tauschen sich währenddessen mit der Community im Chat darüber aus.
2011 gegründet, wuchs Twitch mit dem Aufkauf durch Amazon 2014 rasant an. Aktuell nutzen täglich 15 Millionen Menschen das Streaming-Angebot. Damit ist Twitch das beliebteste Streaming-Angebot fürs Gaming weltweit. Prognosen sagen für den deutschen E-Sport-Markt bis 2020 ein Marktvolumen von 130 Millionen Euro voraus mit einem Wachstum von 20 Prozent pro Jahr. Grund genug, die Gaming-Branche generell im Auge zu behalten. Aber der Erfolg von Twitch liegt auch darin begründet, dass es um mehr ist als nur um Videospiele geht. Der Plattform gelingt es, besonders unter Millennials und den Angehörigen der Generation Z, für ein starkes Community-Gefühl zu sorgen.
Entwicklung zum Sozialen Netzwerk
Auch Facebook und YouTube werden vermehrt fürs Livestreaming genutzt, aber Twitch ist in der Gaming-Szene nicht nur erfolgreicher, sondern unterscheidet sich z.B. deutlich von YouTube. Einerseits steht wirklich allein der Live-Content im Vordergrund. Andererseits liegt der Fokus zu 100 Prozent auf der Community. In diesem Sinne arbeitet die Plattform ohne Algorithmus, denn die User sollen nur die Inhalte sehen, für die sie sich bewusst als Follower entschieden haben. Auch wenn es im Gegensatz zu anderen Social Media Plattformen keinen Like-Button gibt, können die User miteinander chatten, sich gegenseitig folgen oder Subscriber werden. Für jeden Stream gibt es einen eigenen Chatraum, in dem die Community untereinander und mit dem Streamer interagieren kann. Twitch lebt von diesem aktiven Austausch, der über die übliche Kommentarfunktion etwa bei Facebook, deutlich hinausgeht.
Außerdem stehen den Usern verschiedene Tools wie etwa das Clipping-Feature zur Verfügung. Die Zuschauer können von Videos oder Livestreams, die ihnen gefallen oder Aufmerksamkeit erregen, kurze Clips zwischen 10 und 40 Sekunden zusammenstellen. Diese erscheinen dann auf dem Kanal des Streamers, werden automatisch den anderen Nutzern im Chat angezeigt und können auch in anderen Sozialen Netzwerken geteilt werden.
Die Zielgruppe
Beachten solltet Ihr die spezifische Zielgruppe auf Twitch: 81.5 Prozent der User sind männlich, 55 Prozent sind zwischen 18 und 34 Jahren alt. Wollt Ihr auf Twitch aktiv werden, müsst Ihr Euch also ein Konzept für ein junges und Game-affines Publikum überlegen. Die User sind übrigens offen für Werbung: In einer Umfrage gaben 82 Prozent an, Sponsoring sei generell gut für die Gaming-Industrie und 80 Prozent der User sehen es positiv, dass Marken einen bestimmten Gamer oder ein Team sponsern.
Twitch Influencer
Bis zu 3,2 Millionen der auf Twitch aktiven User produzieren selbst jeden Monat live Content. Im Gegensatz zu anderen Social Media Plattformen zeichnet Twitch die erfolgreichsten Influencer aus. Für den Status als Twitch Affiliate oder Twitch Partner müssen Streamer bestimmte Kriterien erfüllen (Zahl der Follower, Sendezeiten etc.), um von Twitch verifiziert zu werden und bestimmte Zusatzfunktionen zu erhalten. Beispielsweise können Twitch Affiliates mit den Abonnements ihrer Zuschauer Einnahmen generieren, und nur Twitch Partner dürfen Werbung schalten.
Mit diesem System sorgt Twitch in Bezug auf die eigenen Influencer für Transparenz – ganz im Gegensatz zu anderen Social Media Plattformen, wo es für User oftmals nicht einfach ist, gekaufte Follower zu identifizieren oder Influencer-Werbung auf den ersten Blick zu erkennen.
Social Media Marketing auf Twitch
Für die Hersteller von Video-Games ist Twitch besonders als Werbefläche spannend. Aber auch andere Branchen können das Portal für ihre Kommunikationsziele einsetzen. Neben den reinen Gaming-Kanälen gibt es zunehmend Livestreams, in denen gekocht wird oder in denen es um Kunst oder Musik geht. Zudem gibt es Do-it-yourself-Videos und eine große Yoga Community. Unternehmen wie Paramount Pictures, Nike oder Red Bull schalten auch in Deutschland Kampagnen, um das Publikum zu erreichen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird die Werbung in die Streams der Gamer integriert oder auf einem eigenen Kanal platziert.
Wenn Ihr Euch für Twitch als Marketing-Kanal entscheidet, benötigt Ihr zunächst einen sogenannten Twitch Partner (oder müsst selbst einer werden). Jeder Streamer, der eine etablierte und wachsende Audience hat und zudem mindestens dreimal pro Woche Inhalte sendet, kann ein Twitch Partner werden. Nur wer diesen Status erhält, kann Ads schalten und zudem alle acht Minuten einen Werbespot senden. Das ist auch sinnvoll, schließlich wollt Ihr nur dort Eure Inhalte platzieren, wo sie von einer großen Anzahl an Followern wahrgenommen werden.
Die amerikanische Fastfood-Kette KFC tat sich für eine Werbekampagne mit dem bekannten Streamer „DrLupo“ zusammen, um die eigenen Chicken Wings zu promoten. Mit einem weiteren Twitch-Influencer setzte sich „DrLupo“ an das Spiel „Playerunknown‘s Battlegrounds“. Zusätzlich rief er die User dazu auf, nach jeder gewonnenen Runde die Wörter „winner winner“ im Video-Chat einzugeben, um einen KFC-Geschenkgutschein zu gewinnen. Dazu muss man wissen: die Phrase „winner winner chicken dinner“ ist unter Gamern des Spiels sehr populär. Damit bewies KFC, dass es die Zielgruppe kennt und sich an den Trends der Gaming-Community orientiert.
Fazit
Keine Sorge, Ihr müsst nicht gleich zu KFC in Konkurrenz treten. Aber Twitch spricht eine junge Zielgruppe an und lebt von Live-Übertragungen und schnellen Interaktionen. Daher ist es wichtig, sich im Marketing an den Tonfall und die Regeln der Community anzupassen. Mit dem Livestream einer Pressekonferenz oder einem Webinar dürftet Ihr die Zielgruppe kaum überzeugen. Was Twitch für die User so attraktiv macht – Echtzeitcharakter und Authentizität – sind zugleich Faktoren, die für Euch risikobehaftet und ein Stück weit unberechenbar sind. Deshalb sollte die Kommunikationsstrategie auf Twitch gut überlegt sein. Der Vorteil liegt aber auf der Hand: Über Twitch können Zielgruppen erreicht werden, die sich nicht nur den klassischen Medien wie Print und Fernsehen, sondern auch Plattformen wie Facebook längst entzogen haben.